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Wer denkt es sei noch ein Spiel...

  • Tom Drechsel
  • 27. Juni 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. März

Wer denkt, es sei noch ein Spiel, der täuscht sich – zum ZIB2-Interview vom 26. Juni 2024.


Ein erschreckendes, aber zugleich ein, in aller Klarheit und Offenheit, entblößendes FPÖ-Interview, was diese Partei unter Führung eines Kickls mit der Republik Österreich vorhat, liefert Christian Hafenecker. Einerseits erschreckend, da der Generalsekretär zeigt, wohin sich, geht es nach der FPÖ, Österreich politisch entwickeln soll: Next Stopp: Ungarn (vermutlich nur Stopp, keine Endstation). Andererseits Klarheit, da kein Blatt mehr vor den Mund genommen werden muss und er dies nun offen ausspricht.

Man schaue ab Minute 6.06., worin Hafenecker in der, von Viktor Orban in Ungarn installierten „illiberalen Demokratie“, ein Vorbild sieht und dies „absolut will“.


Sprache kann unglaublich viel. Sie kann beschreiben, Gefühle wecken, Atmosphäre schaffen, kreativ und witzig sein (man denke nur an den gerade verstorbenen Musiker und Sprachkünstler Fredl Fesl). Sie kann aber auch Handlungen setzen, d. h. performativ wirken, ironisch und auch zynisch daherkommen. Sie kann brutal sein, aber gleichzeitig diese Gewalt auch euphemistisch überdecken. Dies macht sie mit dem Begriff „illiberale Demokratie“

Um zu verstehen, warum dies euphemistisch ist, muss man sich diese zwei Begriffe genauer anschauen.


1.) Illiberal

Das Wort setzt sich zusammen aus dem Präfix „il“ und aus dem, aus dem Latein kommenden, Wort „liberal“. Nun setzt man in der deutschen Sprache das Präfix „il“ dann ein, wenn etwas verneint werden soll. „Il“ bedeutet nun in etwa „nicht“, „un“ oder auch „illegal“ (vgl. Wahrig). Insofern kann man sagen, dass das Wort „illiberal“ zunächst einfach „nicht-liberal“ bedeutet. Insofern will Hafenecker eine „nicht-liberale“ Demokratie.

Das aus dem Latein stammende „liberal“, stammt ursprünglich von „liberalis“ (d. h. die Freiheit betreffend, vornehm, anständig) oder auch „liber“ (bürgerlich frei, unabhängig, ungehindert, zwanglos) ab. (DWDS)

Zusammengefasst bedeutet nun „il-liberal“ die Verneinung von Freiheit, Anständigkeit und Unabhängigkeit bzw. eine Ver- und Behinderung sowie Zwang.


2.) Demokratie

Das Wort stammt aus dem Griechischen und besteht aus „dḗmos“, d. h. Volk und „kraté͞in“., d. h. herrschen.


Es ist also das Volk, das herrscht. Im antiken Griechenland waren es die Bürger einer Polis, die sich in der Versammlung – auf der „agorá“, d. h. auf dem Marktplatz trafen, diskutierten, argumentierten und schlussendlich für oder gegen einen politischen Vorschlag abgestimmt haben. Es war eine Herrschaft des Volkes - im Gegensatz zu einer Autokratie (Selbstherrschaft, d. h. Herrschaft eines Königs, Despoten, Tyrannen.), einer Aristokratie (Herrschaft der Vornehmen), einer Plutokratie (Herrschaft der Vermögenden und Reichen) und einer Meritokratie (Herrschaft der Leistungsträger).

Demokratie bedeutet heute einerseits auch noch, dass die Bürger einer Gemeinde, eines Bundeslandes oder des Staats (Republik – „res publica“ als eine Sache der Öffentlichkeit) sich, durchaus über die unterschiedlichsten Kanäle, austauschen, debattieren, argumentieren und schlussendlich auch ihre Stimme abgeben dürfen, damit die Verantwortlichen in den Gremien dem Gemeinwillen – in Form des Mehrheitswillens der Bürger – umsetzen. Dabei ist wichtig, dass jede Stimme gleich zählt, egal aus welchen Verhältnissen jemand stammt, welche Gesinnung, Geschlecht oder Hautfarbe er/sie/divers hat.

Aber Demokratie bedeutet heute noch zumindest einen entscheidenden Punkt mehr. Es geht nicht nur um die Mehrheit, die ihren Willen kundtut und der in Folge umgesetzt werden muss, sondern es gilt auch, die Minderheiten zu schützen. Gerade dies ist eine Errungenschaft der modernen, jungen Demokratie, wofür frühere Generationen gekämpft haben (nicht nur in der Französischen Revolution, sondern beispielsweise auch die Suffragetten, ohne die unsere Mütter nicht die wären, die sie heute sind). Nur dadurch kann sichergestellt sein, dass auch jede Stimme, jede Meinung und damit jeder Mensch gleich zählt. Spricht man jemanden dieses Recht ab, sind in Zukunft alle anderen auch nicht mehr davor sicher. Besser kann man es nicht formulieren, wie dies Hannah Arendt tat: Es ist das Recht, Rechte zu haben. Dadurch wird Demokratie ermöglicht.

Aber es ist die liberale Demokratie, die Bedingung der Möglichkeit dafür ist, dass jede(r) überhaupt nach seiner Fasson glücklich werden kann. Zwar mag sie nicht die Garantie sein, dass dies tatsächlich geschieht, sicher ist aber, dass es in einer illiberalen Demokratie nicht allen möglich sein wird. Unter einem „Schleier des Nichtwissens“ (Rawls) wird sich aber wohl kein vernünftiger Mensch für letztere entscheiden.


Aber die FPÖ will genau das! Sie will die Freiheit abschaffen! Sie formt aus einer liberalen Demokratie eine illiberale! Was das heißt, kann man in Ungarn sehen:


  • Einschränkung der Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit (Beispiel: Gesetze werden verabschiedet, in den kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden)

  • Diskriminierung (Beispiel: Nur mehr eingeschränkten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen)

  • Einschränkung von Rechten von Flüchtenden und Migranten (Beispiel: Kollektivausweisungen, willkürliche Verhaftungen)

  • Einschränkung Recht auf faire Gerichtsverfahren (Beispiel: Einschränkung richterliche Unabhängigkeit)

  • Einschränkung Recht auf gesunde Umwelt (Beispiel: Wenig, bis keine Konsequenzen, wenn jemand gegen Umweltauflagen verstößt.)


Quelle: Amnesty International, Länderreport Ungarn 2023/2024 https://www.amnesty.de/info.../amnesty-report/ungarn-2023...


Die FPÖ will dem Vorbild Ungarn folgen. Dies sagt Hafenecker ganz offen im ZIB2 Interview mit Armin Wolf. Die FPÖ will aus „unserer“ liberalen Demokratie eine illiberale Demokratie, d. h. eine NICHT-freie Demokratie machen. Alle, die bis hierher gelesen haben, werden nun den Widerspruch bemerken. Es gibt keine illiberale, d. h. eine „nicht-freie-Demokratie“. Dies ist ein Widerspruch in sich. Die Demokratie beruht auf der Freiheit, genauso wie Freiheit Demokratie braucht. Das eine kann ohne das andere nicht sein. Wenn man nun die Freiheit abschafft, dann negiert und schafft man zugleich die Demokratie als Ganzes ab. Illiberale Demokratie ist keine Demokratie, sie ist Faschismus. Der Osten hört in Ungarn nicht auf! Niemand kann sagen, er hätte es nicht wissen können.

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