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Γνῶθι σαυτόν -
                  Erkenne dich selbst

Als ich im November 2006 in Ushuaia / Argentinien an einem sehr schlechten Wettertag in der Jugendheerberge herumsinnierte, vielmehr mich langweilte, gab mir eine junge Schweizerin den Rat, das vierte Buch, das oben links im Bücherregal der Unterkunft stand, zu lesen. Dies war der Beginn einer Reise, die bis heute andauert. Eine Reise in Form einer Frage: Wer bin ich?

 

Ein guter Ausgangspunkt für diese Untersuchung ist für mich die französische Philosophie des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum steht darin das Denken der Differenz, im Gegensatz zu dem heute oftmals populären Identitätsparadigmas. Besonders der Psychoanalytiker Jacques Lacan, aber auch Philosophen wie Jacques Derrida, Jean-Luc Nancy oder Emmanuel Lévinas haben hier wesentliche Beiträge geleistet. Wo nun aber der Kern, das Zentrum oder die Essenz verlustig gehen, braucht es Alternativen. Eine liegt möglicherweise im Denken des Menschen, als einer, der sich in seiner Existenz offenbart. Wer ich bin, zeigt sich nicht in der Abstraktion, sondern vielmehr im konkreten Tun und Handeln. Gerade die Phänomenologie um Edmund Husserl und Martin Heidegger bieten hierfür interessante Überlegungen.

Wenn das Tun und Handeln immer schon Teil des, wie Heidegger schreibt, „In-der-Welt-sein“ ist, dann ist der Umgang mit den "Anderen" notwendigerweise mitgegeben. Dann kommt aber der Philosoph kaum umhin, sich nicht auch mit der politischen Philosophie/Theorie bzw. der Sozialphilosophie zu beschäftigen und auseinanderzusetzen, beispielsweise mit Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Judith Butler, Slavoj Žižek et.al. Nun geht es mir weniger um abstrakte Analysen als vielmehr konkrete Aspekte und Problem unserer heutigen Gesellschaft.

Tom Drechsel, Tracht Kleinwalsertal

Drei Beispiele:

 

Erstens, die Ideologie! Warum wählen Menschen, gleichgültig ob gut oder schlecht gebildet, Traumtänzer, Clowns oder gar Rassisten, auch wenn sie vielleicht früher oder später selbst unter diesen leiden? Nur auf die Intelligenz zu rekurrieren, scheint zu kurz gegriffen. Eine mögliche Antwort findet man hingegen, wenn man, unter zur Hilfenahme der Psychoanalyse, den Ideologiebegriff analysiert. Dies geschieht gerade im Umfeld des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek.

 

Zweitens, eine Kulturfrage. Wo der Mensch im wärmenden Licht der Sonne auf Bergen oder in Tälern, an Flüssen oder Seen, auf dampfenden Wiesen im Morgendunst sein heil zu finden glaubt, da scheint die Harmonie nicht weit zu sein. Der Heimatbegriff strahlt an allen Ecken und Rändern - heute jedoch zumeist von Rechts oder touristisch ausgeblutet. Aber weder muss sein Sinn notwendigerweise von strammen Nationalisten noch vom jeweiligen Tourismusamt delegiert werden. Aber wie kann dieser Begriff anders gedacht werden?

 

​Drittens, der menschenverursachte Klimawandel - das vielleicht drängendste Problem, vor allem für die kommenden Generationen, welches aber von uns Heutigen angegangen werden muss. Dass gehandelt werden muss, belegt die Wissenschaft. Die Frage nach dem "Wie" ist aber eine gesellschaftliche und keine der Wissenschaften. Der Klimawandel betrifft uns alle, die einen mehr, die anderen weniger, vermeintlich, weil schlussendlich sitzen wir doch alle im gleichen Boot. Wie kann ein sinnvolles und effektives Handeln aussehen, das von einer Mehrheit der Bürger getragen wird? Auch wenn die Sozialphilosophie keine letzten Antworten liefern kann, so möchte sie zumindest gute Fragen stellen.

 

Zu erkennen und auszuloten, wer ich bin – dazu wird vermutlich ein Menschenleben nicht ausreichen. Das ist aber auch gar nicht notwendig. Es geht nicht darum, den Sinn des Lebens zu finden, sondern eher Sinn zu stiften, in der je eigenen Existenz, als Mensch, im Tun und Handeln, das aber immer schon von Differenzen, Spuren und Disseminationen markiert ist.

 

Curriculum Vitae:

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Tom Drechsel, geboren an einem schneereichen Wintertag im Dezember 1981, aufgewachsen und wohnhaft im Kleinwalsertal, Besuch der Volksschule, Hauptschule und Realschule. Ausbildung zum Bankkaufmann, Bankfachwirt (IHK), Studium Bankbetriebswirt (Frankfurt School). Von Hauptberuf Banker. Während eines zwölfjährigem privaten Sprachstudiums mehrere Reisen nach Lateinamerika, Entschluss 2014 zum Studium der Kulturwissenschaften, Abschluss im Jahr 2020. Studium der Philosophie im europäischen Kontext in Hagen, Abschluss 2024. Und das Beste zum Schluss: drei wunderbare Damen. 

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