top of page

Ideologiekritik nach Slavoj Žižek

  • Tom Drechsel
  • 1. März
  • 37 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Apr.


Inhaltsverzeichnis


1     Hinführung zum Thema


2     Lacan als Grundlage

2.1      Was ist ein Subjekt?

2.2      Was ist ein Objekt?

2.3      Phantasma als Verbindung von Subjekt und Objekt


3     Ideologiekritik nach Slavoj Žižek

3.1      Gemeinschaft als eine politische Imagination

3.2      Der Herrensignifikant arretiert eine Gemeinschaft

3.3      Jouissance als Kit des sozialen Bandes


4     Zusammenfassung und kurze Rückfragen


5     Literaturverzeichnis



1  Hinführung zum Thema

 

Wie steht es um die Vernunft des Menschen? Diese Frage drängt sich auf, wenn man die in jüngster Zeit gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ansieht (Stichwort: PEGIDA, Trump, AfD bzw. FPÖ in Österreich, die Leugnung des Klimawandels oder Coronavirus etc.). Man könnte dann stark daran zweifeln, dass es sich beim Menschen um ein Animal Rationale handelt. Wenn man aber die Vernunft des Menschen nicht ad acta legen und sie für sein Wesen doch noch irgendwie retten will, dann macht es Sinn, nach Gründen zu suchen, warum sich Menschen von wissenschaftlichen Fakten abwenden, sich diesen verschließen und stattdessen Pseudo-Wissenschaftler_Innen und Influencer_Innen auf YouTube, Telegram oder anderen Social-Media-Plattformen ihren Glauben schenken. Dabei wäre dies noch nicht besorgniserregend, wenn es sich bei der Anzahl dieser Menschen nur um eine Randgruppe handeln würde. Aber zwei Beispiele sollen die Dringlichkeit darlegen: 1.  Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten 2016+2024 hat gezeigt, dass ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung, zumindest zweitweise, für rationale Argumente und Denkweisen nicht mehr zugänglich war. 2. Nicht anders ist es 2023 um die österreichische Innenpolitik bestimmt, wo nur vier Jahre nach dem sogenannten IBIZA-Skandal der FPÖ, diese nach Umfragen wieder stärkste Partei in Österreich ist.

 

Aufgrund dieser - nur skizzenhaften - Ausführung sieht es der Autor als notwendig an, nach Gründen für solche Entwicklungen zu suchen. Eine mögliche Antwort bzw. Lösung bietet die Ideologiekritik des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek, dessen Ansatz, stark aufbauend auf der/den Theorie(n) Jacques Lacans, die psychische Verfasstheit des Menschen als entscheidendes Moment heranzieht. Ohne ein Grundverständnis Lacans sind daher Žižeks Analysen kaum verständlich, da, einfach gesagt, Žižek, Lacans Subjekt-Objekt-Theorie auf eine Gesellschafts- bzw. Ideologietheorie überträgt. Daher wird es in einem ersten Teil um die Grundlagen Lacans gehen müssen. Nach Lacan konstituiert sich das Subjekt nicht autonom, sondern ist immer schon von und durch andere (Mutter, Vater, Familie, Gesellschaft etc.) strukturiert oder anders gewendet, wird das Subjekt erst durch eine doppelte unbewusste Verkennung konstituiert. Lacan verdeutlicht dies mit den Registern des Imaginären, Symbolischen und Realen. In dieser Verkennung, so wird sich herausstellen, ist aber immer schon ein Verlust oder Mangel inhärent, aus dem das Begehren entsteht. Ein Begehren, das nicht einfach nur auf Dinge in der Welt abstellt, sondern auf etwas, das immer schon verloren gegangen ist. Nun kann aber das Subjekt mit diesem Verlust nicht ohne Weiteres leben. Daher bedarf es eines (unbewussten) Mechanismus, der diese Risse und Lücken überblendet bzw. überdeckt. Es ist nach Lacan das sogenannte Phantasma, das diesen Mechanismus im psychischen Apparat darstellt. Das Phantasma macht also nicht erst das Leben lebenswert (im Sinne von Wünschen oder Tagträumen, dass man dies oder jenes später machen oder werden möchte), sondern ist viel grundlegender für Lacan, da es die Bedingung der Möglichkeit für ein möglichst gelingendes Leben darstellt. Insofern ist das Phantasma das Produkt aus verkennendem Subjekt und verlorenen Objekt: $<>Objekt a

 

Mit diesen Grundlagen kann nun der Übergang von Lacans Subjekt- und Objektkonstitution zu Žižeks Gesellschafts- bzw. Ideologietheorie dargelegt werden. Es soll im folgenden zweiten Teil aufgezeigt werden, wie Žižek mit Lacan ein Gemeinwesen begründet sieht und warum die Bindung darin so stark und effektiv sein kann. Auch hier sind unbewusste Prozesse im Gang. Für den slowenischen Philosophen ist entscheidend, dass eine Gemeinschaft nicht abstrakt auf dem Reißbrett entworfen wird, sondern es eines „gesellschaftlichen Wirs“ bedarf, dessen Grundlage affektiv, d. h. libidinös besetzt ist. Ebenso handelt es sich bspw. bei einem Volk, einer Nation oder auch bei einem Begriff wie Heimat nicht um etwas natürlich Gegebenes, sondern vielmehr sind es, wie Juliane Spitta dies auch ausführt, Verluste, Krisen oder auch Versprechungen, kurz Phantasmen, von etwas oder auf etwas hin, das zusammenschweißt. Es wird etwas imaginiert, das als naturgegeben erscheint, aber nur „genüsslich-affektiv“ verbunden ist - seinem Wesen nach aber vielmehr eine Leere, eine Lücke oder Mangel darstellt. Um dieses konkrete Phantasma, das Žižek auch mit Herrensignifikanten bezeichnet, konstituiert sich für das „Wir“ eine Welt, von der aus begutachtet und bewertet und in weiterer Folge auch gehandelt wird. Dieser Herrensignifikant wird für Žižek zur Grundlage seines Ideologieverständnisses. Über Marx` Warenfetischismus hinausgehend, welcher nur ein falsches Bewusstsein ist, das aufgeklärt werden kann, ist dies bei Žižeks Ideologiebegriff nicht mehr möglich, da es sich hier, ähnlich wie bei Lacans Subjektverkennung, um eine konstitutive Verkennung handelt. Ideologie ist eben keine Brille, die man abnehmen kann und die Welt sieht, wie sie an sich ist, weil man immer aufgrund eines Herrensignifikanten handeln muss. Es gibt keinen Standpunkt außerhalb der Ideologie. Aber gerade weil der Herrensignifikant ein leerer Begriff ist, kann er sich erst mit unterschiedlichsten Vorstellungen und Erwartungen füllen. Insofern ist er immer schon überkomplex und -determiniert. Vergleichbar mit Kants Begriff des „Erhabenen“ wirkt dieser dann übermächtig, demgegenüber sich das Subjekt beugen muss. So ist es schlussendlich der Herrensignifikant bzw. allgemein gesagt die Ideologie, die für die involvierten Subjekte bzw. deren jeweilige Gemeinschaft das Handeln vernünftig erscheinen lässt, wo Außenstehende hingegen nur den Kopf schütteln können. Der Kit des „sozialen Bandes“, das nun die Menschen mittels des Herrensignifikanten zusammenhält, kann mit dem lacanschen Begriff des Genießens/Jouissance erläutert werden. Dabei stellt sich dieses Genießen nicht als ein alltägliches Vergnügen oder simple Lust dar, so wie man in der Sommersonne ein Vanilleeis genießt, sondern die Jouissance geht auch immer mit Leid einher. Aber nur dadurch wird letztendlich für Žižek die Festigkeit des sozialen Bandes einer Gemeinschaft verständlich.

 

 


 

2  Lacan als Grundlage

2.1 Was ist ein Subjekt?


Lacan hat sich in seinem wissenschaftlichen Schaffen stets darum bemüht, ein Verständnis davon zu erlangen, wie und was man unter dem Subjekt verstehen kann. Oder genauer gesagt, er ist der Frage nachgegangen, wie sich das Subjekt konstituiert. Für ihn ist es gerade nicht die autonome und selbstbewusste Instanz, wie sie in der philosophischen Tradition seit Descartes und Kant immer wieder aufgefasst wurde, sondern vielmehr zeigt es sich als eine zerrissene, gespaltene und dezentrierte Instanz, dem seine Kontrolle zu entgleiten droht.[1] Das Subjekt ist für Lacan kein Hypokeimenon, d. h. ein Zugrundeliegendes (subjectum)[2], sondern ein Unterworfenes (subjectus), das sich als eine Kristallisation oder Sedimentation von Idealbildern und sprachlichen Strukturen ergibt,[3] welches stets im Fluss bleibt. Lacan hat die Subjektkonstitution anhand seiner drei Register, dem Symbolischen, dem Imaginären und dem Realen dargelegt, die nachfolgend erläutert werden:

 

Das Symbolische kann am ehesten mit der Sprache erläutert werden, auch wenn Symbole mehr beinhalten können. So ist es für Lacan vor allem die Sprache, die einerseits die Welt strukturiert, andererseits aber auch den Menschen. Die Sprache hat eine identitätsstiftende Funktion, weil sie vorrübergehend Ordnung in die Dinge und den Menschen bringt. D. h., die Sprache etabliert und zieht Differenzen in ein Sein bzw. in eine Totalität (das Reale). So differenziert sie beispielsweise zwischen Sache und Lebewesen, Mensch und Tier, Frau und Mann etc., wo vorher noch Einheit war. Aber so, wie bereits für Hegel das Wort bzw. die Sprache der Tod des Dinges ist,[4] ist es auch für Lacan der Tod des Subjekts,[5] weil das Wort nie alles, was ein Subjekt ausmachen kann, auch tatsächlich zu beschreiben und erfassen vermag. Um zu verstehen, was Lacan damit meint, kann man Anleihen bei den Linguisten Ferdinand de Saussure und Roman Jacobsen nehmen, was hier jedoch aus Platzgründen nicht weiter dargelegt werden kann. Nur kurz und sehr vereinfacht sei erwähnt, dass für Saussure und Jacobsen die Bedeutung eines Wortes nicht irgendwo draußen in der Welt liegt oder wie ein Sticker an der Sache klebt und diese dann durch die Sprache wiedergegeben wird, sondern die Bedeutung und damit das Bezeichnete oder Signifikat aus den Differenzen von Signifikanten entsteht.[6] Die Bedeutung ergibt sich erst aus einer Verkettung von Signifikanten. Die Bedeutung ist das, was das andere nicht ist. Somit geht mit dem Symbolischen und damit auch der Sprache immer ein Verlust einher.[7] Und wenn für Lacan die Subjektkonstitution immer auch eine Folge der Sprache ist, wird verständlich, dass dem Subjekt selbst auch immer schon ein Verlust inhärent ist. Ein weiterer wichtiger Punkt für Lacan, auch wenn es zunächst banal erscheinen mag, ist die Tatsache, dass die Sprache immer schon vor dem Subjekt existiert.[8] Es ist der Mensch, der in die Sprache eingeführt bzw. von der Sprache geformt wird. Der Spracherwerb kommt immer schon von dem oder den Anderen, d. h. der Mutter (daher Muttersprache), dem Vater oder allgemein der Gesellschaft. Aber schon das Baby wird, bevor es Wörter sprechen kann, in das Symbolische eingeführt. Es lernt bspw., dass es schreien muss, wenn es etwas haben will. So übernimmt das Baby, bzw. das Subjekt im Allgemeinen, unweigerlich die Symbole der Anderen. Hier zeigt sich für die Subjektkonstitution der radikale[9] gesellschaftliche Aspekt. Das Entscheidende in weiterer Folge für Lacans Subjekttheorie ist die Zusammenführung der zwei erläuterten Punkte (1. Sprache entsteht aus Differenzen; 2. Sprache kommt von dem Anderen): Da die Bedeutung nur daraus entsteht, was das andere gerade nicht ist und die Sprache immer schon von anderen Menschen an das Subjekt herangetragen wird, ist nie ganz klar, was der Andere tatsächlich will, was die Symbole „nun wirklich bedeuten“, etc. Es wird immer etwas mitgemeint, was in dem Symbol „positiv“ nicht enthalten ist. Trotzdem muss das Subjekt die Symbole übernehmen und damit klarkommen. Durch diesen Verlust, der nie ganz einholbar ist, bleiben die Symbole und somit auch die Sprache unklar, unscharf und bedeutungsoffen, woraus für Lacan aber gerade das Unbewusste entsteht. Es bleibt immer ein Rest übrig, immer die Frage, was will der Andere wirklich? „Was willst du von mir?“ „Che vuoi?“ Aus diesem Grund sagt Lacan auch, dass einerseits das Unbewusste strukturiert sei, wie eine Sprache,[10] andererseits, dass „[…] das Unbewußte der Diskurs des andren [ist].“[11] Insofern deutet sich durch den Eintritt in die symbolische Ordnung schon das gespaltene Subjekt $ an.

 

Eine weitere Spaltung bzw. Entfremdung erfährt Lacans Subjekt im zweiten Register, dem Imaginären. Auf den ersten Blick könnte man darunter verstehen, was man gemeinhin das Ich oder die Identität einer Person nennen würde, quasi die autonome Instanz, das bewusste und selbstreflexive Ich, das denkt und handelt. Allerdings ist diese Auffassung eine Täuschung. Vielmehr handelt es sich um ein idealisiertes Bild oder Imago des Subjekts. Im Zentrum steht das Körperbild.[12]  Das Imaginäre ist die Ordnung des Körperbildes, insofern es eine Illusion evoziert. Mit dem Spiegelstadium will Lacan dies verdeutlichen:[13] Zwischen dem sechsten und achtzehnten Monat erkennen Kinder, wenn sie in den Spiegel schauen, ihr eigenes Spiegelbild. Sie nehmen dies mit einer jubilierenden Geste zur Kenntnis, im Sinne, „ah, das bin ja ich!“ und lassen sich dies mit einem freudigen Blick der Mutter bestätigen. Die Besonderheit des Spiegelstadiums ist für Lacan eine Spannung, die daraus entsteht. Das Kind identifiziert sich einerseits im Spiegel mit dem Bild, das es sieht und nimmt sich dadurch als Einheit und Ganzheit wahr; zugleich bemerkt es aber auch, dass es diese Einheit doch noch nicht ist, da es dieses Ganze in der Körperwahrnehmung noch nicht vollständig kontrollieren kann. So kann es bspw. die Arme und Beine noch nicht gezielt bewegen bzw. koordinieren, wie es die Einheit suggeriert. Zwischen dem Bild als Einheit und der „zerrissenen“ Körperwahrnehmung bzw. dem „zerstückelten Bild des Körpers“[14] entsteht eine Spannung, die das Kind Zeit seines Lebens bestimmen wird. Dies kann auch als eine erste „konstitutive Verkennung“[15] bzw. Entfremdung der Identitätsbildung verstanden werden. Eine zweite kommt noch hinzu: Das Kind bedarf zu seiner Identität auch immer noch des Anderen. Es ist nämlich die Mutter[16], die dem fragenden Kind, ob es das Kind im Spiegel selbst sei, die beruhigende und bestätigende Antwort gibt: „Ja, das bist du!“.[17] Das Subjekt kommt somit nie von sich aus zu sich selbst, es benötigt immer schon den Anderen. Insofern wirkt also auch die Mutter im Spiegelstadium grundlegend auf die Identifikation des Kindes ein.[18] „So sollst du sein“ – eine Einheit, nicht wie es sich nur selbst sieht, sondern wie es die Mutter sehen will. Es identifiziert sich mit ihr. In dem bestätigenden Blick der Mutter kommt ihr Begehren zum Ausdruck. Freud wählte den Ausdruck: „His Majesty, the baby“.[19] Indem das Kind sich durch den Anderen identifiziert, wird das Begehren des Anderen aufgenommen. Daher sagt Lacan, dass das Begehren immer das Begehren des Anderen ist.[20] Dadurch wird verständlich, dass das Ich nicht nur durch sich selbst bestimmt wird, (im Sinne eines Descart´schen Ich), sondern wesentlich durch einen Entfremdungs- und Verkennungsprozesss. Es wird ein imaginiertes Bild durch den Anderen erzeugt, an dem das Kind versucht in Zukunft festzuhalten. Es hat durch die Identifizierung ein Ideal-Ich i(a) etabliert, z. B. ein gutes Kind, später vielleicht ein verständnisvoller Vater oder eine bewundernswerte Philosophin etc., zu sein.

 

Das dritte psychische Register bezeichnet Lacan als das Reale. Es ist das am schwierigsten zu beschreibende Register. Zunächst ist festzuhalten, dass das Reale nicht mit der Realität verwechselt werden darf. Nach Lacan ist es das, was gerade nicht repräsentiert, was nicht durch Bilder oder die Sprache veranschaulicht bzw. artikuliert werden kann. Lacan sagt, dass das Reale der Symbolisierung absolut widersteht.[21] Wenn das Reale nun aber weder imaginiert und vor allem nicht verbalisiert werden kann, dann stellt sich die Problematik, wie man es überhaupt darstellen kann. Lacan fasst es im Sinne einer Totalität auf, die alles umfasst, d. h. Körper, Natur, alles, was irgendwie mit dem Leben und dem Tod zu tun hat.[22] Man kann diesbezüglich zwei Seiten des Realen unterscheiden:[23] Einerseits das präsymbolische Reale, was bedeuten soll, dass es sich um einen Zustand von Ganzheit und Vollständigkeit handelt. Es gibt darin noch keinerlei Differenzen, das Subjekt ist ganz bei sich. Andererseits ist aber das Reale gerade auch der Effekt des Eintritts in die symbolische Ordnung. Darin wird das Reale als Negativ deutlich, da die symbolische Ordnung Differenzen einführt, die aber nie alles erfassen können und insofern notwendigerweise Ausschlüsse produziert. Oder anders, es bleiben Reste, Lücken oder Leerräume übrig, die man nicht zu fassen bekommt, die aber anwesend sind. Einen Versuch, das Reale bildlich zu veranschaulichen, kann mit dem Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren, The Ambassadors, gelingen.[24] Im Vordergrund aus der Zentralperspektive befindet sich ein nicht identifizierbares Objekt. Wenn man jedoch diese Perspektive verlässt und es von der Seite betrachtet, kommt ein Totenkopf zum Vorschein. Durch den Perspektivenwechsel wird etwas Neues, was vorher vermeintlich nicht da war, plötzlich sichtbar. Erfahrbar kann es aber auch im Alltag werden, bspw. dann, wenn etwas nicht so abläuft, wie man es geplant hatte. Wenn etwa ein Redner bei seinem Auftritt etwas sagt, was er gar nicht sagen wollte oder wenn man einem Freund, Bekannten oder Vorgesetzten viel mehr erzählt, was dieser gar nicht wissen sollte und man sich hinterher fragt, warum habe ich das eigentlich gesagt? Es ist das Paradox des Realen, das sich einerseits entzieht, aber andererseits trotzdem immer da und aktiv ist.[25] Es wirkt auf das Ich mit einer ständigen Penetranz ein, meist unbemerkt, jedoch manchmal offenbarend. Die Relevanz des Realen für die psychische Konstitution wird aber erst dann wirklich verständlich, wenn die beiden anderen Register auf dieses treffen und versuchen, es zu regulieren. Dann kommt es zu einer Dynamisierung in der Subjektkonstitution, woraus das Begehren[26] entsteht, welches unweigerlich mit dem Objektverständnis bei Lacan verbunden ist. Dies wird nachfolgend erläutert.


 

2.2  Was ist ein Objekt?


Im ersten Abschnitt wurden die drei Register, die für die Subjektkonstitution notwendig sind, dargestellt. Alle drei Register sind notwendige Bedingungen, damit es für das Subjekt „rund“ läuft. Sollte ein Register ausfallen oder überhand gewinnen, bekommt das Ich aus psychoanalytischer Sicht Probleme oder wird krank.[27] Allerdings erscheinen die drei Register bis jetzt noch recht statisch und nebeneinander und die Subjektkonstitution kann so noch nicht richtig verständlich werden. Damit der Mensch zum Menschen werden kann, bzw. was den Menschen nach Lacan auszeichnet und worin er sich gerade vom Tier unterscheidet, ist sein Begehren und dieses ist an das Objekt a (sprich: Objekt klein a) gebunden.[28] Dies soll nachfolgend erläutert werden. Das Begehren selbst muss nach Lacan von Bedürfnis und Anspruch unterschieden werden.[29] Bedürfnisse sind rein biologische Instinkte wie etwa Essen, Trinken oder Schlafen und flauen nach der Befriedigung ab. Das Begehren dagegen ist eine konstante Kraft. Da das Baby oder Kleinkind sich aber noch nicht selbst versorgen kann, stellt es einen Anspruch an den Anderen (strukturell betrachtet an die Mutter) indem es bspw. fordert: „Gib mir was zu essen, ich hab Hunger!“[30] Aber im Anspruch steckt noch ein Weiteres und das ist für das Begehren grundlegend. Es ist der Anspruch nach Liebe der Mutter. So prüft das Kleinkind auch immer, wenn es nach der Brust der Mutter schreit, ob sie es auch noch liebt. Das Baby will die Mutter ganz für sich haben, sie soll alleinig für es da sein. Doch dieser zweite Anspruch, der auf das Spiegelstadium zurückweist, ist unerfüllbar, da sich die Mutter niemals so hingeben kann, wie es das Kind gerne hätte. Aber gerade aus dieser Unerfüllbarkeit, oder allgemein gesagt aus diesem Mangel der Mutter, generiert sich eine kontinuierliche Kraft, das Begehren. Für Lacan stimmen sogar Mangel und Begehren überein.[31] Aber warum kann sich die Mutter niemals so hingeben, wie es das Kind gerne hätte? Oder anders gefragt, was passiert in der Mutter-Kind-Einheit, dass darin ein kontinuierlicher Mangel etabliert wird? Es ist das Auftauchen des Vaters in der Struktur des Dritten. Hatte Freud dies noch mit dem Ödipus- und dem Kastrationskomplex[32] narrativ dargestellt, verdeutlicht Lacan den Zusammenhang strukturalistisch, mit der sogenannten Vatermetapher.[33] Auch wenn Lacan strukturalistisch denkt und eine zeitliche Genese bei ihm weniger eine Rolle spielt, muss die Darstellung in einen zeitlichen Ablauf gestellt werden: Zunächst besteht eine Einheit zwischen Mutter und Kind. Das Kind nimmt sich zunächst nur als eine körperliche Verlängerung zur Mutter wahr und steht in unmittelbarem Kontakt zu ihr. Ebenso kann die Mutter ihre ganze Aufmerksamkeit dem Kind schenken.[34] Sie stellen quasi eine symbiotische Einheit dar – sind eins. Im Alter zwischen drei und fünf Jahren interveniert der Vater und verbietet diese intime Beziehung, indem er Mutter und Kind droht. Er zieht eine Grenze zwischen Mutter und Kind oder, anders gesagt, er schlägt einen Pfahl zwischen sie. Dadurch kommt es nicht zu einer Annullierung der Beziehung, sondern aus der ehemals dyadischen Beziehung wird eine Dreierbeziehung bzw. Triangulierung.[35] Der Vater ist hier anwesend im Register des Symbolischen, d. h., er spricht das Verbot, die Mutter so zu lieben wie er selbst, aus. Es ist ein Nein zur Mutter, im Namen des Vaters.[36] Das ist für Lacan die symbolische Kastration. Was durch den Eingriff des Vaters geschieht, ist, dass sich das Begehren des Kinders und der Mutter verändern. Die Mutter richtet ihr Begehren (wieder) auf den Vater. Das Kind versteht diese Veränderung nicht und muss zudem auch mit der Drohung des Vaters umgehen. Einerseits bleibt für das Kind an der Mutter immer noch ein begehrenswertes Etwas, das aber nur mehr schemenhaft, dunkel und unbestimmt ist (für Lacan sind es Stimme und Blick), andererseits geht das Begehren der Mutter für das Kind nun über es hinaus.[37] Das Begehren ist das Begehren des Anderen kommt hier in seinen unterschiedlichsten Bedeutungen zum Ausdruck.[38] Was will die Mutter eigentlich? Wie soll ich sein? Wie will sie mich denn haben, dass sie mich noch liebt? Entscheidend ist, dass diese unterschiedlichen Begehren nicht mehr in Übereinkunft gebracht werden können und dies eine Lücke oder einen Spalt hinterlässt, der

 

„[…] zur Ankunft des Objekts a führt. Objekt a lässt sich als der Rest [remainder] begreifen, der entsteht, wenn diese hypothetische Einheit [Mutter und Kind, Anm. T.D.] zerfällt, als eine letzte Erinnerung [remainder] daran.“[39]

 

Oder anders gesagt, durch das Verbot des Vaters löst sich ein kleines Etwas vom Subjekt ab und geht verloren, was dennoch ihm zugehörig ist und von ihm bewahrt bleibt.[40] Dieses Paradox ist das Objekt a und für Lacan die Ursache des Begehrens. Die Ursache, dass das Subjekt immer auf der Suche sein wird. Im Alltag kann das Objekt a nun durch die gewöhnlichsten und unscheinbarsten Gegenstände repräsentiert werden.[41]  In Lacans Freud-Interpretation des Fort-da-Spiels ist es die Spule, mit der sich der Enkel beschäftigt[42] und in David Lynchs Mulholland Drive die blaue Box. Wichtig ist: so notwendig wie das Objekt a für das Subjekt ist, da es sonst kein Begehren gäbe, so problematisch ist es auch für das Subjekt, woraus es hat entstehen können. Dieses Trauma muss überbrückt werden, was nach Lacan im Phantasma[43] geschieht.

 

2.3  Phantasma als Verbindung von Subjekt und Objekt


Für Lacan ist das unbewusste Phantasma die Verbindung des Subjekts mit dem Objekt. Oder genauer des gespaltenen Subjekts mit dem Objekt a. Er formalisiert dies immer wieder mit der Formel $<>a. Das Phantasma dient der Kompensation der traumatischen Erfahrung, die das Kind durch die symbolische Kastration erlitten hat und in Folge daraus das Begehren der Mutter nicht mehr versteht. Oder deutlicher gesagt, es ist der Versuch eines Ausgleichs für den Verlust der symbiotischen Einheit zwischen Mutter und Kind. „Das Phantasma ist der Versuch, diese Inkonsistenz und Lücke im Anderen zu überwinden und zu verdecken.“[44] Eine gute Darstellung, wie Lacan das Phantasma versteht, gibt er in seinem Seminar IV anhand Freuds Text „Ein Kind wird geschlagen“.[45] Da hier nicht der Platz ist, diesen Text genauer zu analysieren, muss eine kurze, skizzenhafte Darstellung ausreichend sein. Ausgehend von der Vorstellung eines Kindes, dass ein Vater ein Kind schlägt, kommt Lacan über die Feststellung, dass nicht irgendein Kind geschlagen wird, sondern der Vater den Bruder oder die Schwester des Kindes schlägt, hin zu dem zugrundeliegenden Satz, dass Ich (also das Kind selbst) vom Vater geschlagen werde. Der Weg führt also von der bewussten Vorstellung des Kindes, dass jemand geschlagen wird, zu dem bewusst gemachten Phantasma, dass mich der Vater schlägt. Dieser Prozess (d. h. rückwärts von dem Phantasma, dass ich geschlagen werde hin zu dem, dass ein Kind geschlagen wird) ist für Lacan notwendig, da nur so der vorausgehende, ursprüngliche Verlust der Mutter, der durch die symbolische Kastration eingetreten ist, überhaupt ausgeglichen werden kann. D. h. einfach gesagt, es legen sich im Unbewussten des Kindes Schichten über die traumatische (unbewusste!) Erfahrung, die das Verbot des Vaters hinterlassen hat und diese in Folge verdrängen. Für das Kind wird durch das Phantasma so die Brutalität des Vaters kaschiert. Es ist also der psychische Apparat des Kindes, der dabei hilft, die strukturalen Bedingungen in der Ontogenese abzumildern und so das Leben lebbar, vielleicht sogar lebenswert zu machen. Durch das Phantasma wird der Verlust, der in dem Subjekt entstanden ist, kompensiert oder anders gesagt, das Phantasma verbindet das gespaltene Subjekt mit dem Objekt a. 

 

In dem ersten Teil wurde gezeigt, wie nach Lacan die Subjektivierung des Menschen vonstatten geht. Dabei sollte deutlich geworden sein, dass das Subjekt keine autonome Instanz ist, sondern seine Subjektwerdung dezentriert geschieht, es sich also, anders gesagt, um eine konstitutive Verkennung handelt. Es ist der Andere, der auf das Ich einwirkt und wesentlich sein/ihr Sein bestimmt. So werden im Imaginären Idealvorstellungen, Ganzheiten und Unerschütterlichkeiten erzeugt, die durch das Symbolische verzerrt werden und zu Brüchen führen. Dennoch bleibt immer ein unvermittelbarer Rest übrig, der nach Lacan das Reale darstellt. Erst im Zusammenwirken der drei Register, so Lacan, entsteht das Wesen des Menschen, das für ihn das Begehren darstellt. Nun kann aber mit Lacan nicht nur die Subjektwerdung erklärt werden, sondern auf Basis dieser Theorie versuchen zeitgenössische Philosophen das Feld des Politischen oder genauer gesagt, die Frage nach der Funktionsweise der Gemeinschaft, zu beschreiben bzw. zu erklären. Wie sich dies darstellen lässt, soll nun im folgenden Teil aufgezeigt werden. Dabei wird zunächst der Begriff des Politisch Imaginären erläutert.

 

3  Ideologiekritik nach Slavoj Žižek

3.1   Gemeinschaft als eine politische Imagination


Der Sinn, wenn man vom Politisch Imaginären spricht, besteht darin, dass eine Gesellschaft[46] weder auf dem Reißbrett entworfen, noch einfach von Natur aus gegeben ist, sondern es eines gesellschaftlichen Wirs bedarf, dessen Grundlage affektiv, d. h. libidinös besetzt ist. Das Imaginäre, das aus dem Lateinischen stammt und von Imago abgeleitet ist, bedeutet Bild, und insofern verweist das Bild immer schon auf eine Ganzheit (siehe Spiegelstadium). Mit Juliane Spitta kann man auch sagen, dass das Politisch Imaginäre ein Feld des Diskurses bezeichnet, auf dem sich Identitätsvorstellungen und Subjektivierungsweisen konstituieren, fetischisierte Objekte durch Mythen oder Narrationen hervorgebracht und so ein Gemeinwesen inauguriert werden kann.[47] Hinzu kommt, dass Gemeinschaftsbegriffe wie Volk, Nation oder auch Heimat häufig mit einem Gefühl des Verlusts oder der Krise verbunden sind, aber – und das ist ebenso wichtig - auch mit einem Versprechen assoziiert werden, dass sich der ursprüngliche Zustand der Ganzheit wieder herstellen lässt.[48] Es handelt sich also um eine gewisse, nostalgische Sehnsucht. Zusammengefasst kann man also Gemeinschaft als politische Imagination verstehen als eine Vorstellung, die sich in den Köpfen der Menschen abspielt, durch Denken und Handeln hervorgebracht wird, jedoch in der Realität nie so anzutreffen sein wird und dennoch im Alltag sehr wirkmächtig werden kann. Dabei gilt es nun zunächst, die Möglichkeitsbedingungen für ihr Entstehen zu analysieren. Es wird sich zeigen, dass über den Begriff des falschen Bewusstseins nach Marx hinauszugehen ist und das Politisch-Imaginäre sich – so wie bei Lacan das Subjekt – als eine konstitutive Verkennung beschreiben lässt.

 

Marx hatte bereits früh erkannt, dass es in säkularen, kapitalistischen Gesellschaften nicht zu einem Verschwinden von religiösen Vorstellungen kommt, sondern diese sich nur in einem anderen, neuen Gewand zeigen. Das Phänomen hatte er mit dem Begriff des Fetischs beschrieben. In kirchlicher, religiöser Hinsicht versteht man unter einem Fetisch, dass sich Gott als Gedankenkonstrukt oder Vorstellung verselbstständigt und sich in einem Utensil materialisiert, oder wie dies Juliane Spitta ausdrückt:

 

„Der Mechanismus des Fetischs ist die Projektion und die Widerspiegelung von Abwesendem, auf etwas, das als das Ding selbst bzw. als sein Spiegelbild erscheint.“[49]

 

D. h., indem die Vorstellung Gottes auf eine Sache, ein Ding oder einen Gegenstand übertragen wird, kann er als tatsächlich anwesend und vom Gläubigen als real existierend aufgefasst und erkannt werden. Im Fetisch

 

„[...] scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten.“[50]

 

Marx will damit sagen, dass Produkte des Denkens (also z. B. Gott) als lebendige und selbstständige Entitäten aufgefasst werden, die im ständigen Austausch mit anderen Menschen stehen. Durch die vermeintlich physisch-reale Anwesenheit gewinnt der Glaube an Wirkmacht, der auch im Christentum so groß wurde, dass im Namen Gottes getötet wurde. Nun kommt es nach Marx in der Moderne bzw. im Kapitalismus zu einer Säkularisierung, d. h. zur Trennung von Kirche und Staat, mit der Folge, dass der Glaube in das Private fällt.[51] Aber nach Marx „spukt“[52] das Religiöse in der Gesellschaft weiter, jedoch in einer anderen Form, nämlich im Fetischcharakter der Waren. Wenn also im Fetisch die Dinge als real existierend aufgefasst werden, bedeutet dies für Marx, dass die Menschen im Kapitalismus auch nicht mehr erkennen, dass es sich beim Warenwert (Tauschwert) um etwas Künstliches, durch Menschen unbewusst Konstruiertes und Konstituiertes handelt - im Gegensatz zu einer tatsächlich physischen Eigenschaft wie Farbe oder Material.[53] Vielmehr handeln die Subjekte solipsistisch in ihrem Tauschakt und verkennen so die sozio-synthetische Funktion des Tausches.[54] Dies ist gemeint, wenn man mit Marx vom falschen Bewusstsein spricht.

 

Die entscheidende Weichenstellung zwischen Marx` Gesellschaftskritik und derjenigen der Laibacher-Schule um den slowenischen Philosophen Slavoj Žižek kann nun aufgezeigt werden. Während Marx davon ausgeht, dass es sich „nur“ um ein falsches Bewusstsein handelt, das mittels Reflexion erkannt und die Gesellschaft in Folge durch Revolution auf den richtigen Weg gebracht werden kann, lehnt dies Žižek ab. Für den Philosophen und Psychoanalytiker handelt es sich nicht nur um ein falsches Bewusstsein, sondern um eine konstitutive Verkennung, die er in der Konstruiertheit der Gesellschaft allgemein verortet. Konkret kritisiert er am Begriff des falschen Bewusstseins, dass es nur darum ginge, dessen Naivität aufzuzeigen.

 

„Das Konzept der Ideologie [nach Marx, Anm. T. D.] setzt eine Art grundlegende konstitutive Naivität voraus: Diese verkennt die eigenen Voraussetzungen, die eigenen, tatsächlichen Bedingungen, und ist durch eine Distanz, eine Divergenz zwischen der sogenannten gesellschaftlichen Wirklichkeit und unserer entstellten Repräsentation, unserem falschen Bewusstsein ausgezeichnet.“[55]

 

Nach Žižek rekurriert Marx immer noch auf ein Wissen, oder anders gesagt auf eine Wahrheit, die irgendwo im Hintergrund schlummert und wenn man sie denn gefunden hätte, man die gesellschaftlichen Probleme und Widersprüche lösen könne. Aber

 

„[d]ie Ideologie ist keine traumartige Illusion, die wir erschaffen, um der unerträglichen Wirklichkeit zu entfliehen. Auf ganz basaler Ebene ist sie ein phantasmatisches Konstrukt, das unsere „Wirklichkeit“ stützt […]“[56]

 

Für Žižek liegt das Problem nicht nur am Wissen, sondern vielmehr in der Praxis und im Handeln der Menschen.[57] Läge es nur an der Naivität des Menschen, dann könnte man durch Aufklärung diese Illusion schnell auflösen. Aber Žižek sieht, dass es trotz aller Bemühungen nicht passiert (ist). Daher geht er über Marx hinaus. Die klassische Kritik des falschen Bewusstseins analysierend, sagt Žižek, dass die eigentliche Illusion darin liegt, dass man ja weiß, dass bspw. Geld nicht den Wert an sich verkörpert, aber man dennoch so tut, d. h. in der Praxis so handelt. So weiß man auch, dass ein Kauf bei Amazon schlecht ist, aber man tut es dennoch. Oder ein Beispiel, das Žižek immer wieder anbringt, ist das des Antisemiten: „Ich weiß ja, dass die Juden eigentlich Menschen sind wie wir, aber dennoch müssen wir aufpassen!“ Oder um dies auf die psychoanalytische Ebene zu heben: Ich weiß ja, dass ich durch meinen Vater und die ganze Triangulierung so strukturiert bin, aber ich kann dennoch nicht anders.“ Was hier deutlich werden soll, ist, dass das Problem nicht am Wissen liegt, sondern dass man unbewusst gegen das Wissen handelt, obwohl man meint, zu wissen. Das Subjekt handelt aus Gewohnheit und meint nur zu wissen.[58] Daher versteht Žižek unter Ideologie bzw. Ideologiekritik:

 

„Ideologie ist nicht einfach ein „falsches Bewusstsein“, eine illusionäre Repräsentation der Wirklichkeit. Vielmehr muss diese Wirklichkeit selbst schon als „ideologisch“ begriffen werden. Eine gesellschaftliche Wirklichkeit ist „ideologisch“, wenn ihre bloße Existenz aufseiten ihrer Beteiligte [sic!] ein Nicht-Wissen über ihr Wesen impliziert - das heißt wenn ihre gesellschaftliche Wirksamkeit und ihre Reproduktion implizieren, dass die Individuen „nicht-wissen, was sie tun“. Nicht das „falsche Bewusstsein“ eines (gesellschaftlichen) Seins ist „ideologisch“, sondern dieses Sein selbst ist „ideologisch“, insofern es von einem „falschen Bewusstsein“ gestützt wird [Hervorheb. im Original, T.D.].“[59]

 

Im Sein selbst liegt also schon eine konstitutive Verkennung insofern man, nach Žižek, immer schon so handelt, als ob man wüsste. D. h., als ob man wüsste, was denn genau Demokratie bedeute, was eine Nation sei oder was das Wesen der Heimat sein solle. Man handelt letztendlich so, als ob die gesellschaftliche Wirklichkeit auf einem festen Felsen stünde, dabei ist es nur eine „ethische Konstruktion“.[60] Oder anders gesagt, besteht die imaginäre Verkennung der Gesellschaft darin, dass auf einen Ort vermeintlichen Ursprungs etwas projiziert wird, das es dort nicht gibt, sondern nur auf eine Leere verweist.[61] Diese phantasmatische Vorstellung beruht auf Lacans „großen Anderen“.


3.2  Der Herrensignifikant arretiert eine Gemeinschaft


Woran liegt nun diese Verkennung? Žižek erläutert dies anhand der Unterscheidung zwischen Deskriptivismus und Antideskriptivismus.[62] Zunächst einmal sind für ihn Herrensignifikanten sogenannte Knotenpunkte.[63] In diesen versammeln und kondensieren sich unterschiedlichste Bedeutungen. So kann man bspw. auf sehr banale Weise versuchen, den Begriff der „Heimat“ mit Tradition, Folklore, Sprache bzw. Dialekt in Verbindung zu bringen oder diese an einen geographischen Ort zu binden. In analoger Weise sehen Menschen in der Demokratie oder im Sozialismus unterschiedliche Bedeutungen am Werk. Aber man merkt schnell, dass eine solche simple Definition bzw. Festlegung nicht ausreichend ist. Entscheidend ist, dass der Herrensignifikant immer überdeterminiert ist und sich dessen Identität immer erst als ein nachträglicher Effekt der Benennung ergibt.[64] D. h. einerseits, und dafür steht für Žižek der Begriff des Deskriptivismus, gelingt es nie, den Herrensignifikant mit all seinen Eigenschaften zu beschreiben. Immer bleibt ein Rest übrig, den man nicht zu fassen bekommt. Im Herrensignifikant Heimat steckt sicherlich mehr, als nur die oben beschriebenen Eigenschaften. Andererseits, im Sinne des Antideskriptivismus, gelangt man auch nicht zu seiner ursprünglichen Bedeutung (verstanden als Taufakt, so dass jemand die Macht hatte, Heimat ursprünglich zu definieren). Immer schon verwendet man also Begriffe, ohne ganz zu wissen, wie sie zu verstehen sind, was sie denn bedeuten und auch woher sie kommen. Insofern handelt es sich um frei flottierende Begriffe und dennoch arretieren sie – für eine bestimmte Zeit – ein ganzes Bedeutungsnetz.[65] Im ersten Teil wurde im symbolischen Register in Anlehnung an Saussure und Jacobsen darauf aufmerksam gemacht, dass die Bedeutungen immer nur aus Differenzen von Signifikanten entstehen. Zwar kann man sich durch den Versuch immer genaueren Beschreibungen der „wahren“ Bedeutung annähern, aber den exakten Zugriff, d. h. die Identität, erlangt man doch nie. Lacan und Žižek übernehmen diese Auffassung im Grundsatz, erweitern diese aber insofern, dass sich nur ein Bedeutungsfeld für eine kurze Zeit arretieren lässt. Die Identität ist nicht festlegbar oder wenn dann nur in diesem Sinne:

 

„Die einzige Möglichkeit, die Identität eines Objekts zu definieren, ist zu sagen, dass dieses Objekt immer vom selben Signifikanten bezeichnet wird und immer an denselben Signifikanten gebunden ist. Der Signifikant konstituiert den Kern der „Identität“ des Objekts.“[66]

 

Es geht also darum, dass der Signifikant nie genau die Identität bzw. das Signifikat wiedergeben bzw. treffen kann. Es bleibt immer ein Rest, ein Mehr oder ein „X“ übrig.[67] Daher schreibt Žižek zurecht, dass es nur der Signifikant selbst sein kann, der seine eigene Bedeutung festhält. Und dennoch hat man paradoxerweise dieses „X“ immer schon, auch wenn es „ungreifbar“ ist, gefunden, da es der nachträgliche Effekt der Benennung ist.[68] Aber wie kann man etwas finden, wo man doch gar nicht weiß, was es ist? Dieses Paradox liegt nach Žižek (mit Lacan) eben an der Struktur des Begehrens. D. h. in den Herrensignifikanten wie Nation, Volk, Heimat oder Demokratie etc. liegt gerade nicht ein substanzieller, geheimer Kern verborgen, der das Wesen bestimmt, sondern vielmehr handelt es sich um das eigene Begehren.[69] Dies ist es, was Žižek immer wieder deutlich machen will.[70] Der Kern selbst ist leer, da er sich „nur“ in dem Begehren des jeweiligen Subjekts begründet. Oder anders gewendet, dasjenige, was man in der Nation, im Volk, in der Heimat oder der Demokratie sucht, ist nichts anderes als das eigene Begehren, das man immer schon selbst in diese Begriffe hineingelegt hat. Insofern sucht man in den Herrensignifikanten immer nur das, was man bereits schon selbst gefunden haben wird. Es ist das, was im ersten Teil dieser Arbeit als das Objekt a interpretiert wurde. Dasjenige, was als der Rest oder das „X“, das aufgrund der Frage, was will die Mutter eigentlich, wie soll ich sein, wie will sie mich haben – aufgrund der Kastration durch den Vater, entstanden ist. Genauso verhält es sich auch mit den Herrensignifikanten Volk, Nation, Heimat oder Demokratie. Was will die Demokratie eigentlich von mir, wie soll ich mich verhalten, wen oder wie soll ich wählen etc.? Insofern sollte nun auch verständlich sein, warum es sich bei Žižek um eine konstitutive Verkennung handelt und warum Marx` Ideologiekritik hinsichtlich des falschen Bewusstseins nicht ausreicht. Man entkommt der Ideologie niemals, da sie keine Brille ist, die man abnehmen kann, sondern vielmehr die Farbigkeit der Welt selbst ausmacht. Es ist hier also der „Große Andere“ um mit Lacan zu sprechen, der, einfach gesagt, auf das Subjekt einwirkt und das Begehren durch seine Unklarheit, Aporien und Antagonismen lanciert und in Bewegung bringt.[71] Aber gerade durch dieses notwendige Offenbleiben, d. h. des Nie-ganz-auf-den-Punkt-zu-Bringende des Herrensignifikanten, kann er auch mit einer solchen Macht und Gewalt auf das Subjekt einwirken und zu einem Erhabenen Objekt werden.[72]

 

Aber mit diesem „Erhabenen Objekt“, d. h. der puren Mächtigkeit des Herrensignifikanten und den damit aufkommenden Aporien, kann das Subjekt nicht umgehen. Konkret muss das offengebliebene „X“ oder der Mangel, der im Herrensignifikanten liegt, immer geschlossen werden. Diese Funktion übernimmt das Phantasma, das nach Žižek immer unbewusst ist.[73] D. h., es handelt sich nicht um Tagträume, Wünsche oder gar rationale Konstruktionen, die das Subjekt entwickelt, damit der Herrensignifikant verständlich wird, sondern im Gegenteil: Immer schon hat das Unbewusste ein Phantasma entwickelt, in dem die Aporien des Herrensignifikanten[74] geschlossen sein werden. Anders ausgedrückt kann das Phantasma als Antwort des Subjekts auf die Fragen des „Großen Anderen“ aufgefasst werden.[75] Und insofern wie die Fragen immer schon da sind, so sind es die Antworten auch. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:  Žižek selbst erläutert das Phantasma anhand des Antisemiten.[76] Das Phantasma besteht darin, dass der Herrensignifikant der homogenen Gesellschaft[77] als ein Ganzes, ohne Risse und Widersprüche existiert. Sämtliche Antagonismen, bspw. die des Klassenkampfes, werden im Phantasma verdeckt. Nun ist es aber so, dass sich im Alltag immer wieder Risse oder Irritationen auftun, bspw. durch Streiks der Arbeiter. Diese dürfte es in einer harmonischen Gesellschaft eigentlich gar nicht geben. Daher formt das Phantasma des Antisemiten einen Ausweg bzw. eine Lösung, um die Bruchlosigkeit der Gemeinschaft aufrechterhalten zu können: Durch Verschiebung (Metonymie) und Verdichtung (Metapher) werden die Widersprüche der Gesellschaft in die Juden projiziert. Unter Verschiebung versteht Žižek, dass nicht mehr der Kapitalismus der Grund für die Ausbeutung ist, sondern der Antisemit dies in die Person des Juden hineinverlegt. Der Jude wird zum Ausbeuter. Die Verdichtung hingegen dient dazu, dass man alle negativen Eigenschaften, die man eigentlich dem Kapitalismus zuschreiben kann, nun im Juden zusammengefasst vorfindet. So ist der Jude nicht nur ausbeuterisch, sondern auch noch raffgierig, skrupellos, hinterhältig etc. Alles Eigenschaften, die vielmehr auf den Kapitalismus zutreffen, die aber in dem Juden verdichtet werden. Für den Antisemiten tritt der Jude also als ein Fremdkörper in das Phantasma der vermeintlich harmonischen, widerspruchsfreien Gesellschaft ein und stört diese. Aber gerade dadurch kann er die Funktion, die inhärenten Antagonismen und Aporien der Gesellschaft zu verdecken, übernehmen. Aus psychoanalytischer Sicht kittet quasi der Jude das Loch oder den Mangel in dem Herrensignifikaten homogene Gesellschaft, wo doch für den Antisemiten er gerade das Problem darstellt. Daher sagt Žižek, dass die Aufgabe der Ideologiekritik darin bestünde, klarzustellen, dass der Jude nicht die Ursache für die Antagonismen ist, sondern vielmehr nur das Symptom. Der Jude steht nur stellvertretend dafür, dass es keine harmonische in sich widerspruchsfreie Gesellschaft gibt. Kurz gesagt: Die Unmöglichkeit der homogenen Gesellschaft wird nur auf den Juden projiziert.[78]


3.3  Jouissance als Kit des sozialen Bandes


Festzuhalten ist zunächst, dass es ein Phantasma eines Herrensignifikanten, einer ganzen, in sich harmonischen Gesellschaft (z. B. Nation) gibt. Wie oben erläutert enthält dieser aber keinen wahren, positiven Kern, sondern vielmehr kreisen nur die unterschiedlichen Sinnzuweisungen um eine Leerstelle, die sich im Zentrum befindet. Das Wesen der Gesellschaft gibt es nicht – sie ist leer. Dennoch existiert dieser Herrensignifikant als Phantasma im Subjekt (in diesem Fall des Antisemiten). Phantasma aus dem Grunde, da die imaginäre Vorstellung (Identifikation) des Antisemiten, dass die Gesellschaft als Ganzes harmonisch existiert, nicht mit der tatsächlich-existierenden Gesellschaft (symbolische Identifikation), die durch Risse und Widersprüche gekennzeichnet ist, in Übereinstimmung gebracht werden kann. Für das Funktionieren und Aufrechterhalten des Phantasmas braucht es aber eine Ingredienz, welche in diesem Falle der Jude ist. Insofern leidet der Antisemit durch diesen, da der Jude auf bewusster Ebene des Antisemiten der Fremdkörper und somit die Ursache für die Aporien in der Gesellschaft darstellt. Andererseits braucht er ihn – unbewusst -, da er nur so sein Phantasma einer antagonismusfreien Gesellschaft aufrechterhalten kann. Verschwindet der Jude, bricht auch die Welt des Antisemiten zusammen, da deren Risse und somit Widersprüchlichkeit offensichtlich wird. Insofern kann man sagen, dass der Antisemit genießt, dass es den Juden gibt. Sich auf Lacan beziehend, verwendet Žižek dafür den Ausdruck der Jouissance. Der Jude ist quasi die Jouissance, er ist Genuss und Leid zugleich. Nun ist hier nicht mehr der Platz, um diesen grundlegenden Begriff genauer zu bestimmen,[79] jedoch soll kurz erläutert werden, warum die Jouissance auch für Žižeks Ideologiekritik grundlegend ist. Auch wenn die Übersetzung des von Lacan gewählten Begriffs der Jouissance problematisch ist, so wird er meist im Deutschen mit „Genuss“ wiedergegeben. Dabei ist die Jouissance mehr als nur Lust, Vergnügen oder ein Hedonismus.[80] Vielmehr ist sie gerade „Jenseits des Lustprinzips“[81] - es liegt in ihr immer ein Exzess. Žižek erläutert, Lacan wiedergebend, die Jouissance an einer markanten Stelle, wo letzterer Kant kritisiert. Es sei gerade nicht so, dass das moralische Subjekt nur aus Freiheit handelt, wo es nicht durch die äußeren Bedingungen (die Aussicht auf den Galgen) davon abgehalten wird, sondern seiner inneren Überzeugung, d. h. dem Kategorischen Imperativ folgt. Kant übersieht die Tatsache, dass gerade die Aussicht auf den Galgen das Handeln motiviert bzw. motivieren kann.[82] Hier folgt man weder einem Vernunftprinzip (z. B. Utilitarismus) - noch dem Lustprinzip, sondern vielmehr Thanatos, dem Todestrieb. Die Jouissance ist quasi das Gesetz oder die ethische Verpflichtung an das Subjekt mit dem Befehl: Genieße![83] Genießen bis zur totalen Verausgabung.[84] Nun kennt man dieses vermeintlich abstrakte Phänomen auch aus dem Alltag, bspw. wenn man Sport nicht nur zur Erholung treibt, sondern annährend bis zum Exitus. Diese Sportlerin oder der Sportler erfahren ihre Befriedigung nur, wenn sie total erschöpft oder „ausgepumpt am Boden liegen“. Dann - und nur dann - sind sie befriedigt. Vergleichbares geschieht aber auch in der Arbeitswelt, wenn Angestellte – ohne vorgegebenen Druck aus der Chefetage – zum Workaholic werden und bis zur Erschöpfungsdepression arbeiten. Der Todestrieb treibt das Subjekt bis in den Untergang voran. Aber, um nun wieder auf die Gesellschaftskritik selbst zurückzukommen, wirkt die Jouissance nicht nur auf Subjektebene, sondern sie kann auch als „soziales Band“ für Staaten und Nationen dienen. Dominik Finkelde hat dies auf eindrückliche Weise in seinem Buch „Phantaschismus“ dargelegt. Darin beschreibt er, dass aufgrund der Jouissance Staaten gerade ihr Selbstverständnis finden. So führt er bspw. aus, dass Folter in den USA nur möglich war, weil es die Bush-Regierung in den 2000er-Jahren schaffte, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu etablieren, die auf der Jouissance beruhte. Ebenso zeigt er für Deutschland, dass es aufgrund der nationalsozialistischen Geschichte zur Staatsräson gehört, Israel nicht zu kritisieren, auch wenn dort regelmäßig Menschenrechtsverletzungen (meist an Palästinensern) begangen werden. Kurz gesagt wird in Finkeldes Beispielen auf Kosten eines Dritten ein Wir etabliert.[85] Wenn man sich nun fragt, wie das denn sein kann, da es sich doch bei den USA, Deutschland und Israel um Rechtsstaaten handelt, dann liegt das an der Jouissance. Sie lässt die Verbrechen als notwendiges Übel erscheinen, oder weniger stark formuliert, sorgt die Jouissance für die notwendige Abblendung von diesen Verbrechen,[86] da nur so das jeweilige Selbstverständnis des Staates etabliert werden kann. Deutschland ist nur Deutschland, wenn es sich zu seiner dunklen Geschichte bekennt und das bedeutet, Israel – konkret der Regierung - den Rücken freizuhalten und wenn es sein muss, auch die Augen vor Verbrechen zu verschließen.

 

4  Zusammenfassung und kurze Rückfragen


Ausgehend von Lacans Subjektkonstitution anhand der drei Register des Symbolischen, Imaginären und Realen, durch deren Zusammenwirken das Begehren entsteht, wurde gezeigt, wie sich diese, mit Slavoj Žižek, auch auf eine Gesellschaftstheorie anwenden lässt, deren Basis die konstitutive Verkennung ist. Nun sollen hier nicht die Inhalte wiederholt werden, sondern nach meiner Meinung scheint es zielführender zu sein, auf die Einleitung und die damit einhergehende Aktualität des Themas zurückzukommen. Es wurde zu Beginn die Frage gestellt, wie es denn sein konnte, dass bei der US-Präsidentschaftswahl ein (großer) Teil der Bevölkerung für rationale Argumente nicht mehr zugänglich war, da sie Donald Trump gewählt hatten. Eine Antwort darauf könnte so aussehen, wenn man Trumps Wahlslogan „Make America great again!“ heranzieht und diesen mit der Ideologiekritik Žižeks versucht zu analysieren. In diesem Herrensignifikanten für die US-Wahl 2016 suggerierte Trump seinen Anhängern eine Politische Imagination: Es gibt da etwas, das dem amerikanischen Volk verloren gegangen ist und das sich wiederherstellen lässt, wenn man ihn, d. h.  Trump, wählt. Die Wirkmächtigkeit dieses Herrensignifikanten basierte darauf, dass sich in seinem Kern eine Lücke bzw. ein Leerraum befindet. Mit Žižek müsste man nun fragen, was denn da exakt verloren gegangen ist, was es denn genau war und wann dieses Was jemals so existierte etc.? Dieser Mangel wurde aber in Folge mit den unterschiedlichsten Phantasmen der Wähler Trumps gefüllt, deren Zusammenhalt durch das Genießen, sprich die Jouissance, garantiert wurde. Jouissance, die durch Trump selbst etabliert wurde und so alle Hemmungen beiseite wischte. Man denke nur an die menschenverachtende Tonbandaufnahme Trumps, in der er sich in pubertärster, aber vor allem auch vulgärster Form, über Frauen äußerte. Nun ist der Effekt aber nicht so gewesen, dass dies seine Anhänger verschreckt und sie sich von ihm abgewandt hätten – so wie man es vermeintlich erwarten konnte - sondern gerade das Gegenteil ist eingetreten. Das ist der Effekt der Jouissance. Diese hat gerade die Bindekraft von seinen Wählern zu ihm noch verstärkt. Wie betont wurde, ist es die Aufgabe der Ideologiekritik nach Slavoj Žižek, diese Verkennungen auf deren jegliche Ideologie beruht, bewusst zu machen.

 

An dieser Stelle sind nun zwei konkrete Rückfragen sinnvoll,[87] da, wie mir scheint, Žižek selbst an diesem Punkt aufhört. Aufhören im Sinne, dass bei ihm nicht ganz klar wird, was man denn nun mit der gewonnenen Erkenntnis anfängt. Diesen Einwand hat ihm auch Ernesto Laclau vorgehalten. Konkret geht es um den Vorwurf, wie denn nun eine konkrete Veränderung aussehen soll? Diese Frage ist meiner Ansicht nach insofern berechtigt, da es nicht ausreichend ist, wie Žižek argumentiert, nur auf eine Verweigerungshaltung einzugehen, um den Logiken zu entgehen. Selbst in der psychoanalytischen Kur wird – in welcher Form und mit welchem Ergebnis auch immer – auf eine Veränderung hingearbeitet.[88] Sollte da Žižeks Ideologiekritik, da sie auf der lacanschen Psychoanalyse aufbaut, dies nicht auch berücksichtigen? Die zweite Frage an Žižek lautet, wie er es denn mit der Heterogenität und der Historizität von Diskursen hält? Nach Judith Butler berücksichtigt Žižek zu wenig genealogische und kulturelle Aspekte der Subjektbildung und insofern auch der Ideologiebildung. Subjekte und Ideologien bilden sich historisch aus unterschiedlichen Kontexten und es scheint zu einfach und oberflächlich, nur eine strukturelle und insofern universell gültige Analyse anzubieten. Um diesen Einwand verständlich zu machen, muss dargestellt werden, worin Butler und Žižek sich in Bezug auf Lacan schon in ihrem Subjektverständnis unterscheiden, die in weiterer Folge auch differente Wege für die Ideologiekritik bedeuten. Dies kann hier nicht mehr erläutert werden. Nur so viel: Žižeks Analysen basieren auf der sexuellen Differenz bzw. Lacans Sichtweise, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, während Butler das Subjekt im Sinne von Althusser Anrufung konstituiert sieht und dadurch performative Veränderungen auch im Politischen möglich werden. Nun sind diese Einwände bzw. Rückfragen keine neuen, da diese bereits Ende der 1990er Jahre in die Debatte geführt wurden, dennoch, so meine Einschätzung, haben sie nach wie vor ihre Berechtigung, da Žižek bezüglich seiner Ideologiekritik (noch) keine befriedigende Antwort darauf gefunden hat.


5          Literaturverzeichnis 

Butler, Judith, Ernesto Laclau, und Slavoj Žižek. Kontingenz, Hegemonie, Universalität, Aktuelle Dialoge zur Linken. Herausgeber: Gerald Posselt und Sergej Seitz. Übersetzung: Sergej Seitz. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2022.

Evans, Dylan. Wörterbuch der Lacan´schen Psychoanalyse. Übersetzung: Gabriella Burhkart. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2017.

Fink, Bruce. Das Lacan`sche Subjekt. Übersetzung: Caspar Boehme. Wien: Tura + Kant, 2015.

Finkelde, Dominik. Lacan und das Begehren - zu Heilsgeschichte, Gesetzeskraft und Objekt klein a. Bd. 162, in Subjekt werden - Neutestamentliche Perspektiven und politische Theorie in Theologische Bibliothek Töpelmann: , Herausgeber: Bruce McCormack, Friederike Nüssel und Christoph Schwöbel, 73-96. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, 2013.

—. Phantaschismus, Von der totalitären Versuchung unserer Demokratie. Berlin: Vorwerk 8, 2016.

Freud, Sigmund. „Jenseits des Lustprinzips.“ In Psychologie des Unbewußten, Herausgeber: Alexander Mitscherlich u.a., 213-272. Frankfurt am Main: Fischer Studienausgabe, 2000.

Freud, Sigmund. „Zur Einführung in den Narzißmus.“ In Psychologie des Unbewußten, Herausgeber: Alexander Mitscherlich u.a., 37-68. Frankfurt am Main: Fischer Studienausgabe, 2000.

Hegel, G.W.F. Nürnberger und Heidelberger Schriften 1808-1817. Herausgeber: Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Bd. Werke 4. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2019.

Hipfl, Brigitte. „Jacques Lacan: Subjekt, Sprache, Bilder, Begehren und Fantasien.“ In Schlüsselwerke der Cultural Studies, Herausgeber: Andreas Hepp, Friedrich Krotz und Tanja Thomas, 83-93. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft, 2009.

Kant, Immanuel. Kritik der Urteilskraft. Herausgeber: Heiner F. Klemme. Hamburg: Metzler, 2009.

Lacan, Jacques. Die Objektbeziehung, Das Seminar IV. Übersetzung: Hans-Dieter Gondek. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2014.

—. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Seminar XI. Übersetzung: Norbert Haas. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2015.

—. Freuds technische Schriften, Das Seminar I. Übersetzung: Werner Hamacher. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2019.

—. Schriften I. Übersetzung: Hans-Dieter Gondek. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2019.

Laplanche, Jean, und Jean-Bertrand Pontalis. Das Vokabular der Psychoanalyse. Übersetzung: Emma Moersch. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973.

Marx, Karl. Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie. 38. Auflage. Bd. 1. Berlin: Dietz, 2007.

Recalcati, Massimo. Begehren, Genießen und Subjektivierung. Bd. 1, in Postödipale Gesellschaft, Herausgeber: Tove Soiland, Marie Frühauf und Anna Hartmann, 53-101. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2022.

Saussure, Ferdinand de. Grundfragen der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Herausgeber: Charles Bally und Albert Sechehaye. Berlin: Walter de Gruyter, 1967.

Spitta, Juliane. Gemeinschaft jenseits von Identität? Über die paradoxe Renaissance einer politischen Idee. Bielefeld: transcript, 2013.

Widmer, Peter. Suberversion des Begehrens, eine Einführung in Jacques Lacans Werk. Wien, Berlin: Turia + Kant, 2018.

Žižek, Slavoj. Das erhabene Objekt der Ideologie. Herausgeber: Peter Engelmann. Übersetzung: Aaron Zielinski. Wien: Passagen, 2022.

—. Denn sie wissen nicht, was sie tun - Genießen als ein politischer Faktor. Herausgeber: Peter Engelmann. Übersetzung: Erik Michael Vogt. Wien: Passagen, 2008.

 




 







 

 

    


[1] Zwar hatte schon Sigmund Freud erkannt, dass es sich bei dem Ich um kein autonomes und rein bewusstes Individuum handelt, wenn er in seinem berühmten Bonmot schreibt, dass „das Ich nicht Herr in seinem eigenen Haus“ sei, aber im Unterschied zu Lacan hat er den Versuch unternommen, die Herrschaft dem Ich zurückzugeben: „Wo Es war, soll Ich werden“ (zumindest gilt dies bis zu seiner Schrift „Jenseits des Lustprinzips“ 1920). Lacan wird dies nicht mehr versuchen und geht insofern über Freud hinaus.

[2] Vgl. Bruce Fink, Das Lacan´sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 68.

[3] Vgl. ebd., Seite 62f.

[4] Vgl. G.W.F. Hegel, Nürnberger und Heidelberger Schriften 1808-1817, Werke 4, Suhrkamp 2019, Seite 52.

[5] Vgl. Jacques Lacan, Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse in Schriften 1, Turia+Kant 2019, Seite 377.

[6] Vgl. Ferdinand de Saussure, Grundfragen der Allgemeinen Sprachwissenschaft, De Gruyter 1967 sowie Dylan Evans, Wörterbuch der Lacan`schen Psychoanalyse, Turia+Kant 2017, Seite 246.

[7] Bruce Fink erläutert dies so, dass Lacan Descartes` Subjekt auf den Kopf stellt, da bei letzterem das Denken und Sein sich nur dann überschneiden, wenn das Subjekt „ich denke“ sagt. Nur in dem Moment stimmen Sein und Denken überein. Erst in einem zweiten Schritt mit der Einführung eines guten Gottes, der nicht lügt, bekommt das Ich Konstanz. Bei Lacan hingegen wird durch den Eintritt in die Symbolische Ordnung das Denken (Denken ist immer sprachlich verfasst) vom Sein getrennt, da Sein immer einen Überschuss gegenüber dem Denken enthält. Vgl. Bruce Fink, Das Lacan`sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 70ff.

[8] Vgl. ebd., Seite 23f.

[9] Radikal insofern, als dass die Einführung in die Symbolische Ordnung (Lacan nennt dies Alienation) eine erzwungene Wahl darstellt. Das Ich kann gar nicht anders, als dies zu wählen, um überhaupt als Subjekt konzipiert zu werden. Vgl. ebd. Seite 81f.

[10] Vgl. Jacques Lacan, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Seminar XI, Turia+Kant 2015, Seite 213.

[11] Jacques Lacan, Freuds technische Schriften, Seminar I, Turia+Kant 2019, Seite 113.

[12] Vgl. ebd., Seite 105f.

[13] Vgl. Jacques Lacan, Das Spiegelstadium als Gestalter der Funktion des Ichs in Schriften 1, Turia+Kant 2019, Seite 109-117.

[14] Ebd., Seite 114.

[15] Ebd., Seite 116.

[16] Mutter hier als Funktion verstanden, es kann natürlich auch eine andere, für das Kind wichtige, intime Person sein.

[17] Vgl. Peter Widmer, Subversion des Begehrens, Turia+Kant 2018, Seite 28.

[18] Vgl. ebd., Seite 30f.

[19] Sigmund Freud, Zur Einführung in den Narzißmus in Psychologie des Unbewußten, Fischer Studienausgabe 2000, Seite 57.

[20] Vgl. Jacques Lacan, Freuds technische Schriften, Seminar I, Turia+Kant 2019, Seite 226. Angemerkt sei, dass Lacan selbst diese Verwendung selbst in unterschiedlichsten Bedeutungen verwendet, nicht nur in diesem Sinne, siehe unten, Fn 38.

[21] Vgl. Dylan Evans, Wörterbuch der Lacan`schen Psychoanalyse, Turia+Kant 2017, Seite 229f.

[22] Vgl. Brigitte Hipfl, Jacques Lacan: Subjekt, Sprache, Bilder, Begehren und Fantasien in Schlüsselwerke der Cultural Studies, Verlag für Sozialwissenschaften 2009, Seite 90.

[23] Vgl. Bruce Fink, Das Lacan`sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 50f.

[24] Vgl. Jacques Lacan, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Seminar XI, Turia+Kant 2015, Seite 94f.

[25] Lacan schreibt hierzu zwar etwas kryptisch: „Denn was das Reale anbetrifft, welche Umwälzung man darin auch herbeiführen kann, es ist dort immer und auf jeden Fall an seinem Platz. Es nimmt ihn mit an seiner Sohle klebend, ohne etwas zu kennen, das ihn daraus exilieren könnte“, und meint damit genau das, dass das Reale immer da ist und man es nicht loswird.  Lacan, Seminar über den gestohlenen Brief in Schriften 1, Seite 12-76, Zitatstelle Seite 30.

[26] Beispielsweise reguliert das Symbolische die erogenen Zonen eines polymorph-perversen Kleinkindes auf die oralen, analen und genitalen Zonen.

[27] So ist die Psychose für Lacan ein Effekt, wenn das Register des Symbolischen nicht integriert wird. Vgl. Bruce Fink, Das Lacan`sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 84f.

[28] Vgl. Dominik Finkelde, Lacan und das Begehren in Subjekt werden – Neutestamentliche Perspektiven und politische Theorie in Theologische Bibliothek Töpelmann, Band 162, De Gruyter 2013, Seite 79.

[29] Vgl. Dylan Evans, Wörterbuch der Lacan`schen Psychoanalyse, Turia+Kant 2017, Seite 48ff.

[30] Selbstredend ist, dass das Kleinkind dies noch nicht „sagen“ kann, aber es kann sich ausdrücken, indem es schreit, quengelt oder zeigt. Insofern wird der Anspruch immer schon symbolisch artikuliert.

[31] Vgl. Bruce Fink, Das Lacan`sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 83.

[32] Vgl. Jean Laplanche/Jean-Bertrand Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse, Suhrkamp 1973, Seite 242ff und 351ff.

[33] Lacan übernimmt von Freud inhaltlich den Ödipus,- und den Kastrationskomplex, jedoch wandelt er diese in der Form so ab, dass sie sich strukturalistisch, d. h. mit Formeln und insofern symbolisch, darstellen lassen.

[34] Vgl. Bruce Fink, Das Lacan`sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 85.

[35] Auch wenn dieser Eingriff - vielleicht sollte man besser sagen Übergriff - des Vaters für das Kind traumatisch sein wird, so ist es gerade für die weitere Entwicklung des Kindes notwendig. Nur dadurch schafft es das Kind, sich von der erdrückenden Umklammerung der Mutter zu lösen und in Zukunft neue, fremde Beziehungen eingehen zu können.

[36] Vgl. ebd., Seite 85ff.

[37] Vgl. ebd., Seite 89.

[38] Mögliche Interpretationen sind bspw.: man begehrt die andere Person, man begehrt das Begehren der anderen Person, man begehrt so wie die andere Person – weitere Interpretationen sind möglich. Entscheidend für Lacan sind die Mehrdeutigkeiten.

[39] Ebd., Seite 90.

[40] Vgl. Jacques Lacan, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Seminar XI, Turia+Kant 2015, Seite 68.

[41] Es handelt sich dabei aber nur um Repräsentationen des Objekts a und nicht um es selbst, da dies kein Ding sein kann.

[42] Vgl. ebd.

[43] Wenn hier von Phantasma gesprochen wird, dann handelt es sich nicht um Tagträume, Wünsche oder planbare Vorhaben eines Menschen, sondern um unbewusste Phantasmen, die auf ihre Entschlüsselung warten.

[44] Slavoj Žižek, Das erhabene Objekt der Ideologie, Passagen Verlag 2022, Seite 179.

[45] Vgl. Jacques Lacan, Die Objektbeziehung, Seminar IV, Turia+Kant 2014, Seite 129-152.

[46] Gemeinschaft und Gesellschaft werden hier synonym verwendet.

[47] Vgl. Juliane Spitta, Gemeinschaft jenseits von Identität?, transkript 2013, Seite 33f.

[48] Vgl. ebd., Seite 14ff.

[49] Ebd., Seite 57.

[50] Karl Marx, Das Kapital, Band 1, Karl Diez 2007, Seite 86.

[51] Zumindest gilt dies für das westliche Abendland, auf das sich Marx bezieht.

[52] Vgl. ebd., Seite 90.

[53] Vgl. Juliane Spitta, Gemeinschaft jenseits von Identität?, transkript 2013, Seite 56.

[54] Vgl. Slavoj Žižek, Das erhabene Objekt der Ideologie, Passagen Verlag 2022, Seite 50. Nun liegt aber nach Žižek auch gerade im Verkennen die Bedingung, dass der Tauschprozess in diesem Sinne funktioniert und dies wird eben zu der konstitutiven Verkennung führen.

[55] Ebd., Seite 59.

[56] Ebd., Seite 80.

[57] Vgl. Ebd., Seite 63.

[58] Vgl. Ebd., Seite 74.

[59] Ebd., Seite 50.

[60] Vgl. ebd., Seite 69. Ethisch im ursprünglichen Sinne von êthos, d. h. Gewohnheit.

[61] Vgl. Juliane Spitta, Gemeinschaft jenseits von Identität?, transkript 2013, Seite 63.

[62] Vgl. Slavoj Žižek, Das erhabene Objekt der Ideologie, Passagen Verlag 2022, Seite 136ff.

[63] Žižek verwendet mit Lacan hier unterschiedliche Begriffe, wie Schlüsselsignifikanten, Bedeutungsknoten, Stepppunkte, point de capiton etc.

[64] Vgl. ebd., Seite 142f.

[65] Vgl. ebd., Seite 133f.

[66] Ebd., Seite 147.

[67] Vgl. ebd., Seite 145.

[68] Der nachträgliche Effekt der Benennung sagt ganz simplifiziert, dass man im Nachhinein immer schon gewusst haben wird, was der Begriff (Volk, Nation, Heimat oder Demokratie) bedeutet hat.

[69] Vgl. ebd., Seite 105.

[70] Žižek verdeutlicht dies anhand des Witzes zwischen einem Polen und einem Juden, wo ersichtlich wird, dass es kein „wirkliches“ Geheimnis gibt, genauso auch, dass es zwischen Psychoanalytiker und Analysand keines gibt, obwohl letzterer dies in den Analytiker hineinlegt. Letztendlich ist es nur sein eigenes Begehren. Vgl. ebd., Seite 104ff.

[71] Konkret geht es um die Konfrontation zwischen dem „Imaginären Ich“, d. h. der Identifizierung, so wie ich mich sehen will (Spiegelstadium) und dem „Symbolischen Ich“, d. h. dem Ort, von dem aus ich gesehen werden will, das von dem „Großen Anderen“ kommt. Anhand dieser Konfrontation entstehen Aporien und Antagonismen, die zu der Frage führen, was will der Andere denn nun wirklich - che vuoi? Vgl. ebd., Seite 155ff, besonders Seite 162 sowie Seite 179.

[72] Hier wird die Nähe zu Kants Begriff des Erhabenen deutlich. Vgl. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, Meiner 2009, §§ 25-28.

[73] Slavoj Žižek, Das erhabene Objekt der Ideologie, Passagen Verlag 2022, Seite 179.

[74] Nochmal: Aporien deswegen, weil die Lücke im Zentrum des Herrensignifikanten unterschiedliche Bedeutungen zulässt, die sich nicht nur ergänzen (vgl. bspw.: Heimat, Seite 16f), sondern auch widersprechen können.

[75] Vgl. Dominik Finkelde, Phantaschismus, Vorwerk 8 2016, Seite 14.

[76] Vgl. Slavoj Žižek, Das erhabene Objekt der Ideologie, Passagen Verlag 2022, Seite 179ff.

[77] Man könnte hier auch – in abgewandelter Form – die Begriffe des Volks, der Nation oder auch der Heimat verwenden um die Aktualität von Žižeks Ideologiekritik deutlich werden zu lassen. Aus diesem Grunde wurden auch in der Arbeit vor allem immer wieder diese drei Begriffe angeführt.

[78] Vgl. ebd., Seite 184.

[79] Zumal dieser Begriff bei Lacan nicht nur grundlegend, sondern auch einer ständigen Veränderung unterworfen ist. Siehe dazu beispielhaft die Ausführung von Massimo Recalcati, Begehren, Genießen und Subjektivierung in Postödipale Gesellschaft, Band 1, Seite 53-103.

[80] Vgl. Dylan Evans, Wörterbuch der Lacan`schen Psychoanalyse, Turia+Kant 2017, Seite 104f.

[81] In Jenseits des Lustprinzips erläutert Freud das Fort-Da-Spiel seines Enkels, als die Mutter ohne etwas zu sagen, gegangen ist. Das Spiel dient nun nicht der reinen Ablenkung, sondern es handelt sich um eine Form der Jouissance: Das Genießen ist zwiespältig, da es immer mit Lust und Aggression (Eros und Thanatos) verbunden ist. Die Abwesenheit führt aufgrund der Hilflosigkeit des Enkelkinds zu einer Lust nach der Mutter, andererseits auch zu Aggression, weil sie einfach weggegangen ist ohne etwas zu sagen. Vgl. Sigmund Freud, Jenseits des Lustprinzips in Psychologie des Unbewußten, Fischer Studienausgabe, Band III, Seite 213-272.

[82] Vgl. Slavoj Žižek, Denn Sie wissen nicht, was sie tun, Passagen Verlag 2008, Seite 249ff.

[83] Vgl. ebd., Seite 248.

[84] Vgl. Massimo Recalcati, Begehren, Genießen und Subjektivierung in Postödipale Gesellschaft, Band 1, Seite 64.

[85] Vgl. Dominik Finkelde, Phantaschismus, Vorwerk 8 2016, Seite 63.

[86] Vgl. ebd., Seite 62.

[87] Die Fragen sollen jedoch nur angeführt werden, einerseits aus Platzgründen, andererseits, da sie meines Erachtens nach wie vor noch nicht hinreichend beantwortet bzw. geklärt wurden. Vgl. hierzu besonders den Diskussionsbeitrag zwischen Judith Butler, Ernesto Laclau und Slavoj Žižek in dem Band Kontingenz, Hegemonie, Universalität, Turia+Kant 2022.

[88] So bspw. eine „Neukonstitution des Begehrens“, vgl. Bruce Fink, Das Lacan´sche Subjekt, Turia+Kant 2015, Seite 173.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page