Gedankenexperiment
- Tom Drechsel
- 18. Sept. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Es gibt und gab in der Geschichte der Menschheit neben der Demokratie (altgriechisch δημοκρατία demokratía = Volksherrschaft) ganz unterschiedliche Formen von Herrschaft oder auch nur theoretische Überlegungen. Beispielsweise die Aristokratie (Herrschaft der Besten), die Bürokratie (Herrschaft der Beamte), die Expertokratie (Herrschaft der Experten und Technokraten), die Epistokratie (Wissensherrschaft), die Gerontokratie (Herrschaft der Alten/Ältestenrat), die Kleptokratie (Herrschaft der Korrupten) das Matriarchat (Herrschaft der Mütter), das Patriarchat (Herrschaft der Väter), die Meritokratie (Herrschaft aufgrund erbrachter Leistung), allgemein die Monokratie (Alleinherrschaft, z. B. König, Tyrann oder Diktatur), die Nomokratie (Gesetzesherrschaft) sowie die Plutokratie (Herrschaft der Reichen), die Theokratie (Gottesherrschaft, vertreten z. B. durch Priester) usw.
Die Liste ist nicht vollständig und man wird noch viele weitere Herrschaftsformen ausfindig machen oder sich überlegen können. Zudem muss eine Herrschaft auch nicht per se nur für sich alleine existieren, sondern kann mit einer anderen kombiniert erscheinen, beispielsweise die Bürokratie mit Nomokratie usw.
In welcher Herrschaftsform möchte man wohl aber am liebsten leben?
Die naheliegendste Antwort ist nun nicht einfach die Demokratie, sondern die Entscheidung hängt vielleicht davon ab, wer Man(n) oder Frau ist. So würde vielleicht der Vater (Mann) das Patriarchat dem Matriarchat vorziehen, die Frau das Matriarchat. Der Bürokrat hingegen die Bürokratie und der Alleinherrscher die Tyrannis...
Was ist die beste Herrschaftsform? Sicher, die Demokratie, aber warum eigentlich?
Hilfreich ist folgendes Gedankenexperiment, das in abgewandelter Form und in starker Verkürzung auf den amerikanischen Philosophen John Rawls (1921-2002) zurückgeht.
Man stelle sich vor, dass man vor seiner Geburt sich entscheiden müsste, in welcher Herrschaftsform man leben wird. Der Haken ist nur, dass man aber in diesem Stadium (Urzustand) noch nicht weiß, welche gesellschaftliche Position man später darin einnehmen wird. So könnte man als Mann oder Frau, als Kind oder alter Mensch, als Diener oder Herrscher etc. in die jeweilige Herrschaftsform eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund dieses „Schleiers des Nichtwissens (Rawls)“ ist die Frage, für welche Herrschaft man sich am ehesten entscheiden würde? Wenn ich nämlich als Dummkopf in die Expertokratie geboren werde, ist das vermutlich ziemlich doof, als Faulenzer in eine Meritokratie recht hart und als Ungläubiger in eine Theokratie womöglich tödlich.
Könnte es vor diesem Hintergrund nicht sein, dass die Demokratie nicht doch die beste Wahl aller Herrschaftsformen darstellt? Wo jeder (zugegeben der Idealfall, aber nur darin ist das Ideal überhaupt möglich), die gleichen Rechte hat? Vor so eine Wahl stehen wir jetzt (wieder)!
Faschisten sind doof – daher Nationalratswahl, 29.09.2024.